19. April 2015

… Tod und Sterben oder der Wille zum Leben

… ich betreue ein Ehepaar, nein, ich betreue jetzt Freunde, beide 70 plus mehr
… und nach mehr als 46 Jahren gemeinsames Leben haben sie meine Bewunderung, meinen besonderen Respekt
… und um sich in diese Gemeinschaft des lebenslangen Zusammenlebens, einzumischen, betrachtet man es negativ, oder einzubringen, in der positiven Sichtweise bedarf es Vertrauen
… die Umstände, das Schicksal, Gottes Wille, wie auch immer wollten, dass der Mann erkrankt
… die taffe Frau kämpft, um ein wenig  mehr Zeit miteinander, auf jeden Fall aber für ein würdiges, liebevolles Ende
… als ich die beiden vor drei Wochen kennenlernte schien es aufwärts zu gehen, sich zeigend in seinem  und ihrem Lächeln, im Halten ihrer Hand und liebevoll ausgetauschten Blicken, in dieser Bedingungslosigkeit, die ich mir immer wünschte und selbst bereitwillig geben würde.
… vor einer Woche das SOS, es geht ihm schlecht, Magen-Darm-Infekt, viel Flüssigkeitsverlust, fast nicht ansprechbar
… meine Ankunft war geplant, mit neuer Unterstützung, und was ich sah, glich einer Havarie
… ärztlich und pflegerisch alles unter Kontrolle, Besserung war dennoch nicht in Sicht
… Experten mit Expertenmeinung schienen ratlos, und ich als Beratung überlegte schnell und langsam, was nun zu tun wäre
… Krankenhaus und Infusionen, Elektrolyte, Kalorien wären sinnvoll, aber nicht im Sinne der Beiden
… kurzerhand, nicht kopf- sondern bauchlastig die Entscheidung gegen die ausgeklügelte Nahrung
… die Medis, ja, natürlich, würden auch nur dann helfen, blieben sie lange genug im Körper
… Flüssigkeit, ja natürlich, Mengen
… ich dachte, als Mutter nach, was meinen Kindern half, ausser Cola und Salzstangen, war das, was man unter Heilnahrung kaufen kann, kalorisch natürlich zu wenig, Darm beruhigend aber hilfreich
… was meinen Kindern an Elektrolyten fehlte, bekamen sie konzentriert dosiert, warum sollte es ihm nicht gut tun
… geschwächt, aber ohne weitere Eskalationen verbrachten wir die Nacht miteinander, er in seinem Bett, immer in meinem Blickwinkel, ich auf dem Sofa das Nachtlicht auf mich gerichtet, mit der message**… hee, ich bin in der Nähe! … mach Piep und ich springe!**
… morgens um vier die übliche Routine, Kontrolle seiner Vitalwerte und Ausscheidungen, Seitenwechsel.
… beide waren wir hellwach und ich nutzte die Gunst der Stunde, für ein vertrauliches Gespräch, von Mann zu Frau, von Gepflegten zur Pflegerin.
… **pass auf, wir müssen reden, wirklich!**
… er hörte aufmerksam zu!
… ihn unterdessen beim Vornamen nennend, ganz direkt mein Monolog.
… **eigentlich ist es verantwortungslos, dich in diesem Zustand hier zu Hause zu lassen. Du gehörst in ein Krankenhaus, mit einer dicken Nadel in der Armvene,  durch die man dich mit Flüssigkeit  versorgt. Ich weiß, dass das nicht in deinem Sinne ist, noch weniger im Sinne deiner Frau. Das was ich hier gerade mache, ist wirklich unverantwortlich, aber probieren wir es! Willst du sterben, dann tu es bald, ich werde es akzeptieren, dich begleiten, bis hin zu dem oft  beschriebenen weißen Licht, in das du gehen  kannst, oder dahin woran du Zeit des Lebens zum Thema geglaubt hast. Ich werde deine Hand halten und spüren, wenn du sie los lässt. Ich werde deine Frau unterstützen, und alle die trösten, die dich lieben, und werde überzeugend vermitteln, dass dies dein Wunsch, dein Wille war, ruhig und entspannt zu verschwinden.**
… er sah mich an, ohne ein Wort, mit klarem Blick!
… ** die zweite Option ist, ich bekomme von dir ein Zeichen, dass das, was ich in den nächsten Stunden zu veranstalten  gedenke, wirklich in deinem Sinne ist. Ich werde Flüssigkeit zuführen, ich werde dafür sorgen, dass dein Mund nicht trocken wird, wir probieren eine andere Ernährung aus. Nur muss ich wissen, dass dies wirklich dein Wunsch ist, sonst lasse ich das bleiben und verfahre nachdem, was ich gelernt habe. Keinen Durst, immer ausreichend Luft und keine Schmerzen. Es ist deine Entscheidung und am Vormittag muss ich wissen, welchen Weg du gehen willst! Egal, wie deine Entscheidung ausfällt, ich werde dich begleiten!!**

… er hielt meine Hand, schloss die Augen und ich las über hoch kalorische, flüssige Nahrung in geringen Volumen!
… ich zog mich auf`s Sofa zurück und schlief ein!
… der nächste Morgen wurde turbulent! … ein hellwacher Mann, geschwächt aber hellwach!
… wir besorgten die andere Nahrung, er  trank und schluckte kleine Mengen, seine Medis blieben da, wo sie sein sollten und taten ihre Wirkung, und von Stunde zu Stunde, mit ab und zu einem Nickerchen, bekam sein Gesicht wieder Farbe.
… am Freitag fuhr ich ab!
… gestern die Nachricht, sein Darm funktioniert wieder, wie er funktionieren sollte!
… heute die Nachricht ** … der Lacher gestern Abend gegen 22.00 h: „ … gibt es hier auch mal was zu trinken?“


… Fazit: ** … ich pfeife auf die allseits bekannte schlechte Bezahlung meines Berufsstandes, solange mir das ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht zaubert!!**